Heilig-Blut-Tafel 1489

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Weingartener Heilig-Blut-Tafel von 1489, Triptychon aus der Klosterkirche Weingarten. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart.

  • zwei Stifterbildnisse Welf IV. und Judith von Flandern (ehemals Außenflügel des Triptychons)
  • Tafel mit 24 Szenen aus der Geschichte der Weingartener Heilig-Blut-Reliquie (ursprünglich Innenflügel und Mittelstück, heute als einheitliches Tafelbild gefertigt)

Siehe auch: Heilig-Blut-Tafel (17. Jh.) in der Basilika Weingarten

Übersicht[edit]

Welf IV. Geschichte der Heilig-Blut-Reliquie Judith von Flandern

Einzelbilder und Transkription[edit]

Transkription der begleitenden Texte und Bildtitel nach Norbert Kruse 1994. Seine hochdeutsche Übersetzung wurde aus Urheberrechtsgründen nicht übernommen.[1]

Hie nach volget die histori des hailgen pluotz cristi
wie das zelest in dis wirdig gotzhus komen sy. Am ersten
wie der ritter longinus unserm herren sin syten öffnet mit dem
[spör] und berüret sine finstri ougen mit dem usgeflossnen
pluot cristi und w(a)rd gesechind und geloubig. item.

Tafel 1: Longinus öffnet mit seiner Lanze die Seite Christi

Hiernach folget die Historie des heiligen Bluts Christi
wie das zuletzt in dies würdig Gotteshaus kommen sei. Am ersten
wie der Ritter Longinus unserm Herren seine Seiten öffnet mit dem
Speer und berühret seine finsteren Augen mit dem ausgeflossenen
Blut Christi und ward sehend und gläubig.

Hie mit grosser gotzforcht versamelt [der rit]ter
longinus das kostbar pluot cristi under [dem]
hailgen crütz in ein bligis schrinlin da[s zuo eren]
und behalten vor der entunerung der [sündi-]
gen füsen der iuden. item

Tafel 2: Longinus birgt etwas vom Blut Christi in einem Bleigefäß

Hier mit großer Gottesfurcht versammelt der Ritter
Longinus das kostbare Blut Christi unter dem
heiligen Kreuz in ein bleiernes Schreinlein das zu ehren
und behalten vor der Entunehrung der sündi-
gen Füße der Juden.

Hie nach dem und der ritter longinus sich verzyg siner
dinst und ritterschafft und sich beschlöfet mit gelichem
claid der hailigen zwölfbotten liez er sich von inen
töfen und der christanlichen ordnung berichten. [item]

Tafel 3: Longinus lässt sich von den Aposteln taufen

Hier nach dem und der Ritter Longinus sich verzog seiner
Dienst und Ritterschaft und sich beschlöfet[2] mit gleichem
Kleid der heiligen zwölf Boten ließ er sich von ihnen
taufen und der christlichen Ordnung berichten.

Hie in uferstandner durchächtung der gelobingen
von dem wietrich nerone, gedacht im der hailig
ritter longinus von ierusalem über mer in die [statt]
manten ze gan und mit im den türen schatz
des hailgen pluotz cristi in grossen eren zu tragen. [item]

Tafel 4: Longinus verlässt Jerusalem und fährt auf einem Schiff nach Italien

Hier in auferstandener Durchächtung[3] der Gläubigen
von dem Wüterich Nero, gedacht ihm der heilig
Ritter Longinus von Jerusalem über Meer in die Stadt
Mantua zu gehen und mit ihm den teuren Schatz
des heiligen Bluts Christi in großen Ehren zu tragen.

Hie ze manten bekeret der hailig ritter longinus fil
menschen von dem irsal und ungelouben der abgötter
zu dem gelouben unsers herren ihesu cristi mit predigen
und rainiget sy mit dem wasser des hailgen touffs. item

Tafel 5: In Mantua bekehrt Longinus viele Menschen zum christlichen Glauben

Hier zu Mantua bekehret der heilig Ritter Longinus viel
Menschen von dem Irrsal und Unglauben der Abgötter
zu dem Glauben unseres Herren Jesu Christi mit Predigen
und reinigt sie mit dem Wasser der heiligen Taufe.

Hie erstuond ze manten grosse durchächtung wider den
hailgen ritter longinum und die er bekeret hett zuo dem
gelouben und getöffet und zuo verhieten den unzalbaren
schatz vor den gotzfinden gedacht er in ze vergraben in
ainer staine sarch. item

Tafel 6: Bei einer Christenverfolgung vergräbt Longinus die Heilig-Blut-Reliquie

 
Hier erstand zu Mantua große Durchächtung wider den
heiligen Ritter Longinus und die er bekehret hatte zu dem
Glauben und getaufet und zu verhüten den unzahlbaren
Schatz vor den Gottesfeinden gedacht er ihn zu vergraben in
einem Steinsarg.

Unlang darnach und der hailig ritter longinus
den unschätzbaren schatz ver[sor]get hett in das ertrich
gedacht er von manten in die [sta]tt c[es]area in dem land
capadocia gelegen ze gan und daselbs den hailgen ge-
louben und touff ouch ze ver[kü]nden. item

Tafel 7: Longinus verlässt Mantua und begibt sich nach Caesarea in Kappadokien

Unlang danach und der heilige Ritter Longinus
den unschätzbaren Schatz verorgt hatte in das Erdreich
gedachte er von Mantua in die Statt Caesarea in dem Land
Kapadokia gelegen zu gehn und daselbst den heiligen
Glauben und Taufe auch zu verkünden.

Hie in der [statt] cesarea und er [ai]n göttlich
leben acht und zwaintzi[g] iar gefüret
hett wurdent im sine [ze]n [us]geschlagen
und die zung abgesch[ni]tten er ward aber
nit berobet [si]ner red und am letsten ab[-]
geschlagen sin hailiges houpt. item

Tafel 8: Longinus erleidet in Caesarea den Märtyrertod

Hier in der Stadt Caesarea und er ein göttlich
Leben achtundzwanzig Jahre geführet
hatte wurden ihm seine Zehen ausgeschlagen
und die Zunge abgeschnitten. Er ward aber
nicht beraubet seiner Rede und am letzten ab-
geschlagen sein heiliges Haupt.

Hie nac[h] vil vergangnen ziten und die gelöbig
[ki]lch in [g]rossem fri[d] und ruohen stuond, war ain
[se]liger menisch ze manten blind geboren dem
[ö]ffnet gott der herr an sinem andächtigem gebett
den hochwirdigen schatz den solte er zaigen sein
[den] gaistlichen in on verziechen ze erhöben. [item]

Tafel 9: In späterer Zeit wird dem blinden Adilbero der verborgene Schatz geoffenbart

Hier nach viel vergangenen Zeiten und die gläubig
Kirche in großem Fried und Ruhe stand, war ein
seliger Mensch zu Mantua blind geboren, dem
öffnet Gott der Herr an seinem andächtigem Gebet
den hochwürdigen Schatz, den sollte er zeigen sein
[den] Geistlichen ihn ohne Verziehen zu erheben.

Hie gyt der selig blind adilbero den ge[waltigen]
und gaistlichen ze manten ze erkennen die [göttli]chen
öffnung des türen schatz und zuo zügnusz de[r war-]
hait syge im von gott zuogesagt in der fin[dunge]
ze überkomen sine gesicht. item.

Tafel 10: Adilbero meldet die göttliche Offenbarung den Notabeln Mantuas

Hier gibt der selige Blinde Adilbero den Gewaltigen
und Geistlichen zu Mantua zu erkennen die göttliche
Öffnung des teuren Schatz und zu Zeugnis der Wahr-
heit seie ihm von Gott zugesagt, in der Findung
zu überkommen sein Gesicht.

Zuo disen zyten von geschefft wegen der hailgen kilchen
und ussz göttlicher virsechung warend ze regenspurg
mittainander versamelt bapst leo, kaiser hainrich und
bonifacius hertzog in lampardei. Aber dise bottschaf[t]
kam am ersten vor den kaiser. item

Tafel 11: Die Kunde von der göttlichen Offenbarung wird dem Kaiser in Regensburg überbracht

Zu diesen Zeiten von Geschäft wegen der heiligen Kirche
und aus göttlicher Vorsehung waren zu Regensburg
miteinander versammelt Papst Leo, Kaiser Heinrich und
Bonifacius Hertzog in Lombardei. Aber diese Botschaft
kam am ersten[4] vor den Kaiser

Hie mitt grossen fröden öffnet kaiser hainrich sölliche
bottschafft und behaltung des verborgnen kostbaren
schatz ze manten dem bapst leo und bonifacio hertzo[-]
gen ze manten die dry mittainander umb söllichs
gott anfiengend ze loben und ze eren. item

Tafel 12: Der Kaiser teilt die Kunde dem Papst und dem Herzog Bonifaz von Mantua mit

Hier mit großen Freuden [er]öffnet Kaiser Heinrich solche
Botschaft und Behaltung des verborgenen kostbaren
Schatz[s] zu Mantua dem Papst Leo und Bonifacius Herzog
zu Mantua die drei miteinander um solches
Gott anfingen zu loben und zu ehren

Hie nach söllicher kundschafft unverzogen huobend sich uff
ainhellenclich kaiser hainrich, bapst leo und hertzog
bonifacius von regenspurg gen manten, söllich warlich
und grünthlich ze erfaren. item

Tafel 13: Kaiser, Papst und Herzog brechen nach Mantua auf

Hier nach solcher Kundschaft unverzogen hoben sich auf
einhellig Kaiser Heinrich, Papst Leo und Herzog
Bonifacius von Regensburg gen Mantua, solche wahrlich
und gründlich zu erfahren.

Hie besendet der bapst leo den blinden Adilbero von im
persönlich und müntlich der göttlich öffnung des
türen schatz ze bericht werden, der im sölliche göttliche
öffnung ordentlichen on forcht und erschecken
verkündet. item

Tafel 14: Der blinde Adilbero bezeichnet den Ort, der ihm geoffenbart worden ist

Hier besendet der Papst Leo den blinden Adilbero von ihm
persönlich und mündlich der göttlich Öffnung des
teuren Schatz[s] zu bericht[et] werden, der im solche göttliche
Öffnung ordentlich ohne Furcht und Erschecken
verkündet.

Hie nach söllicher öffnung des blinden yltent der bapst
m[it] fil der gaistlichen in procession und crützgang
vur grossem andacht zuo der verborgnen behaltu[n]g
dis schatz der blint nach sinem graben und erhe-
b[un]g des schatz von bapst leo, war gesechend und
[fil] ander kranken gesund. item

Tafel 15: Die verborgene Reliquie wird entdeckt

Hier nach solcher Öffnung des Blinden eilen der Papst
mit viel der Geistlichen in Prozession und Kreuzgang
vor großer Andacht zu der verborgenen Behaltung
dieses Schatzes. Der Blinde, nach seinem Graben und Erhe-
bung des Schatzes von Papst Leo, war sehend und
viel andere Kranken gesund.

Hie ussz mentschlicher forcht das fillicht
manten nitt überstigte rom von wegen
ditz schatz, gedacht der ba[p]st mit ge-
walt und werhaffter ha[nd d]en scha[tz]
mit im gen rom ze firen [abe]r die z[e m]an-
ten ussz götlichem bystand [lag]end i[m m]it
sig ob. item

Tafel 16: Der Papst versucht vergeblich, die Reliquie zu entführen

Hier aus menschlicher Furcht, dass vielleicht
Mantua nicht übersteige Rom von wegen
dieses Schatzes, gedachte der Papst mit Ge-
walt und wehrhafter Hand den Schatz
mit ihm gen Rom zu führen, aber die zu Man-
tua aus göttlichen Beistand lagen ihm mit
Sieg ob.

Hie b[uwet] der kaiser by sant endras capell ain schö-
nes [mü]nster sant benedict ordens das wihet der
bapst leo und behielt und versorget den löblichen
sc[h]atz mit grosser wirde in den fronaltar. item

Tafel 17: Die Reliquie wird in der neuerbauten Andreaskirche zu Mantua verwahrt

Hie bauet der Kaiser bei Sankt Andreas Kapelle ein schö-
nes Münster Sankt Benedikt Ordens das weihet der
Papst Leo und behielt und versorget den löblichen
Schatz mit großer Würde in den Fronaltar.[5]

Hie ussz grossem gebett ward von den von manten
dem bapst ain tröpflin des hailgen schatz mit getailt
das er dan mitfiret gen rom der gelichen dem kaiser
das er mit im brächt in schwaben und behielt das
mit andacht in grossen eren. item

Tafel 18: Papst und Kaiser verlassen Mantua mit ihren Reliquienteilen

Hier aus großem Gebet war von denen von Mantua
dem Papst ein Tröpflein des heiligen Schatzes mit geteilt,
das er dann mitführet gen Rom, dergleichen dem Kaiser,
das er mit ihm brächte in Schwaben und behielt das
mit Aandacht in großen Ehren.

Hie [ward d]er göttlich schatz in abschaiden des kaisers und [...]
[sterbenden nö]ten, dem grauffen von flander baldivino v[on]
dem kaiser ze letz und ergetzung siner [get]rüen dinst[]eg[e-}
geben. item

Tafel 19: Sterbend übergibt der Kaiser die Reliquie dem Grafen Balduin von Flandern

Hier ward der göttlich Schatz in Abscheiden des Kaisers und [...]
sterbenden Nöten, dem Grafen von Flandern Balduin von
dem Kaiser zur Letz und Ergötzung seiner getreuen Dienste ge-
geben.

Hie nach dem und baldvinus grauff ze flander disen hailgen
schatz lang zyt in grosser wirde behalten hett ward er
[vo]n im in sinem abschaiden under fil andern kunglichen
[klei]naten siner ainigen schwester Judithe ergeben. item

Tafel 20: Bei seinem Tod vererbt Graf Balduin die Reliquie seiner schwester Judith

Hier nach dem und Balduin Graf zu Flandern diesen heiligen
Schatz lange Zeit in großer Würde behalten hatte, war er
von ihm in seinem Abscheiden unter viel anderen königlichen
Kleinoden seiner einzigen schwester Judith ergeben.

Hie nach dem und frow Juditha grefin ze flander berobet
ward ires ersten gemachels aines künges von engeland
ward si von ainem bisch[of] von trier hertzog gwelf in
schwaben zuo ainem ee gemahel vermachlet. item

Tafel 21: Judith von Flandern heiratet Welf IV. von Altdorf

Hier nach dem und Frau Juditha Gräfin zu Flandern beraubet
war ihres ersten Gemahls, eines Königs von England,
war sie von einem Bischof von Trier Herzog Welf in
Schwaben zu einem Ehegemahl vermählet.

Hie bestetet und meret hertzog gwelf dem gotzhus
wingarten von sinen fordern gestifftet, die stifft[-]
gieter so er im ietzund usz göttlichem insprechen
fürgenommen hett über mer zuo dem hailgen grab
ze riten. item        laus [sit deo] amen

Tafel 22: Beim Aufbruch zum Kreuzzug beschenkt Welf IV. das Kloster Weingarten

Hier bestätigt und mehret Herzog Welf dem Gotteshaus
Weingarten, von seinen Vorderen gestiftet, die Stift-
güter, so er ihm jetzt aus göttlichem Einsprechen
vorgenommen hat über Meer zu dem heiligen Grab
zu reiten.        [lat.:] Lob sei Gott. Amen

Hie genadet hertzog gwelf siner husfrowen Judithe
und zwayen sinen iungen sünen in dem wirdigen
gotzhus ze wingarten und begrifet den weg zuo
dem häeilgen grab zu ritten. item

Tafel 23: Herzog Welf IV. nimmt Abschied von seiner Frau und den beiden Söhnen

Hier genadet[6] Herzog Welf seiner Hausfrau[7] Judith
und zweien seinen jungen Söhnen in dem würdigen
Gotteshaus zu Weingarten und begreift den Weg zu
dem heiligen Grab zu reiten.

Hie zuo frölichem widerker ergibt frow Juditha den
hochwirdigen schatz den zwayen husveter des wirdigen
gotzhus Sant martin und sand oschwalt mit vil anderm
köstlichem hailtum und gaistlichen kleinaten. item
                1489

Tafel 24: Judith übergibt dem Kloster Weingarten die Heilig-Blut-Reliquie

Hier zu fröhlicher Wiederkehr[8] ergibt Frau Juditha den
hochwürdigen Schatz den zweien Hausvätern des würdigen
Gotteshauses Sankt Martin und Sankt Oswald mit viel anderem
köstlichen Heiltum und geistlichen Kleinoden.
                1489 (Datierung des Gemäldes)

Anmerkungen[edit]

  1. Die der heutigen Schreibung angenäherte Form des originalen Textes als Verständnishilfe in der rechten Spalte wurde von User:FA2010 erstellt und steht unter der Lizenz CC-0 bzw. Public Domain.
  2. bekleidet
  3. neu entstandener Verfolgung
  4. als erstes
  5. Hochaltar
  6. wendet sich zu
  7. Ehefrau
  8. um für Welfs gesunde Wiederkehr zu bitten

Literatur[edit]

  • Rainer Jensch: Die Weingartener Heilig-Blut-Tafel von 1489. Eine Studie zu Form, Sinn und Wirkungsgeschichte einer spätmittelalterlichen Historientafel, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 110. Jg. 1992, S. 103–156 (Digitalisat)
  • Norbert Kruse: Die Weingartener Heilig-Blut-Tafel von 1489. (= Kleinode; 1). Kreissparkasse, Ravensburg 1994.